22.12.2024

Statement #BerlinIstKultur: Pressemitteilung zu den Kulturkürzungen des Senats

#BerlinIstKultur Pressemitteilung vom 20. Dezember 2024

Trauer und Wut

Berliner Parlament stimmt Kulturkürzungen des Senats zu.

Gestern, am 19. Dezember 2024, hat das Berliner Parlament dem 3. Nachtragshaushalt für das Jahr 2025 zugestimmt. Dabei wurden neben vielen weiteren Eingriffen in andere gesellschaftliche Bereiche auch die schmerzhaften und kurzfristigen Kürzungen für den Kulturbereich endgültig beschlossen. Die monatelangen Proteste der Kulturlandschaft, die Bereitschaft sich in die Haushaltskonsolidierung mit eigenen Vorschlägen einzubringen, die engagierten Fürsprachen aus Bundespolitik und Gesellschaft, die Stimmen der internationalen Kulturlandschaft, die fachlichen Expertisen und Stellungnahmen, die rege mediale Aufmerksamkeit im In- und Ausland haben nichts gebracht. Doch wir stehen weiter solidarisch beieinander in Trauer und Wut. Kunst und Kultur in Berlin wird es immer geben. Und die Kultur schreibt die Geschichte – Kai Wegener droht Berlin als kulturloser Bürgermeister in Erinnerung bleiben.

Denn es ist überproportional.

Bei neuen Schulden und Einnahmesteigerungen belaufen sich die faktischen Kürzungen in der Liste für alle alle Einzelpläne auf ca. 2 Milliarden Euro, davon muss der Etat für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (Einzelplan 08) ca. 130 Millionen Euro erbringen. Das sind über 6,5 % der Gesamt-Kürzungssumme bei einer Beteiligung am Gesamt- Haushalt von lediglich 2,1 %. Kultur wird also überproportional mit weit über dem Dreifachen eines fairen Anteils an den Kürzungen belastet. Dabei geht der größte Anteil der Kürzungen in die eigentlichen Kulturkapitel 0800 bis 0814, die um über 12% von 912 Millionen auf 801 Millionen gekürzt werden.

Es ist nicht nachvollziehbar.

Es verbleibt im Dunkeln der Flurgespräche, wie und warum über den Untergang oder die Rettung von einzelnen Häusern und Organisationen entschieden wurde. Warum trifft es einige auch nach den Korrekturen an den Listen immer noch mit voller Härte und andere nicht mehr? Warum sind Zukunftsthemen wie Diversität, Inklusion, Teilhabe oder auch Digitalität an vielen Stellen trotz Korrekturen besonders betroffen? Warum wird das wichtigste Thema der Stadt – bezahlbare Räume – im Kulturbereich fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel?

Es ist den hart arbeitenden Menschen im Kulturbereich gegenüber unverantwortlich und unerträglich kurzfristig. Mit dem Beschluss vom 19. Dezember 2024 gelten die Kürzungsvorgaben ab 1. Januar 2025. Damit bleibt den unmittelbar Betroffenen keine Zeit zu reagieren, Verträge fristgemäß zu kündigen oder umzuplanen. Kündigungsgespräche oder sogar Vorbereitungen für Betriebsschließungen begleiten sie über die Feiertage. Die dauerhafte Unklarheit um die Tarifsteigerungen an allen Einrichtungen und bis zu 5 Millionen fehlende Tarifaufwüchse bedeuten weitere Härten in der Zukunft, rechtssichere und faire Beschäftigungsverhältnisse an den Musikschulen sind weiter ungeklärt. Und dies alles in einem Arbeitsfeld, in dem nach wie vor größtenteils unter prekären Bedingungen gearbeitet wird (Durchschnittseinkommen 2024 von Künstler*innen: 20.383 Euro im Jahr).

Es ist respektlos.

Neben der Planlosigkeit, der Kurzfristigkeit und der Unverhältnismäßigkeit bleibt die respektlose Kommunikation über die Kulturkürzungen mit das größte Ärgernis. Großen Betrieben, die seit langem erfolgreich agieren, werden gute Ratschläge zur Geschäftsführung gegeben, die Clubs als positive Beispiele herangezogen, ohne mit der Clubszene jemals zu sprechen, imaginierte „normale“ Berliner*innen als Gegenpol zur Kulturlandschaft angeführt… Dieses Vorgehen schürt Verschwörungstheorien und bedroht das gegenseitige Verantwortungsgefühl in der Kulturlandschaft.

Es ist nicht vorbei.

Bei aller Härte der Einschnitte im Jahr 2025 kann sich noch immer niemand auf die Ergebnisse verlassen. Versteckte 10 Millionen Euro Kürzungen im Kulturhaushalt sind noch nicht verteilt und können weiterhin alle treffen. Genug, um viele kleine Kulturvorhaben zu beenden oder größere Einrichtungen schmerzlich zusätzlich zu belasten. Für Gekürzte und Ungekürzte verlängert sich die unsichere Situation also gleichermaßen, 100% Verunsicherung bei geringstem Einsparvolumen. Zudem wurde bereits mehrfach bestätigt, dass die Sparvorhaben in den Jahren 2026/27 fortgeführt werden sollen, obwohl Kosten und Gehälter beständig steigen. Ein Zeithorizont, in dem dann alle Reserven und Rücklagen auch der größten Kultureinrichtungen aufgebraucht sein sollten.

Und es beschädigt Berlin. Ein lebendiges Kunst- und Kulturleben macht das Berlin aus, das wir heute kennen – in der internationalen Wahrnehmung wie im Kiez. In Berlin interagieren große Institutionen, Theater, Museen, Konzerthäuser und Clubs mit freien Künstler*innen, internationale Gäste mit lokalen Kiez-Akteur*innen, Museen und Opernhäuser mit soziokulturellen Trägern, Bibliotheken und der Amateurkultur. Diese Vielfalt und Vernetztheit ermöglicht kulturelle Teilhabe für Berliner*innen jeden Alters, Einkommens und Herkunft. Kulturwirtschaft und Tourismus profitieren von der Ausstrahlung der Stadt und ihrer vielfältigen Kulturangebote.

Dass die Berliner Kultur mit ihren vielen Leuchttürmen und weltweit bekannten Künstler*innen regelmäßig in internationalen Medien präsent ist und hunderttausende Besucher*innen jährlich anzieht, liegt an diesem einzigartigen Kulturökosystem, das weltweit seinesgleichen sucht. Mit den historischen Kürzungen droht das verloren zu gehen, was Berlin als liebens- und lebenswerte Stadt ausmacht und was in Berlin bislang tatsächlich funktioniert – die besondere Kultur einer besonderen Stadt.

Für die Entwicklung der Zukunft dieser Kulturlandschaft in Zeiten wirtschaftlicher Engpässe und politischer Polarisierung braucht es ein kluges Konzept, eine behutsame Kommunikation und strategische Weitsicht – nichts davon ist aktuell zu erkennen. Nun werden Gespräche versprochen, das ist zu spät für viele, aber dennoch gut. Das zerstörte Vertrauen wieder aufzubauen wird eine große Aufgabe werden.

15.12.2024

„Chialos Kettensägenmassaker“ – ein Kommentar von Alexander Karschnia zu den geplanten Kürzungen im Berliner Kulturetat

„In Berlin sind Haushaltskürzungen im Bereich der Kultur­förderung geplant, die an die Substanz gehen. Der Wider­stand wächst. Der Kultursenat hat nun offenbar vor, einige Kürzungen anders zu verteilen, doch das Gesamtvolumen dürfte gleich bleiben.“ Der Kommentar von Alexander Karschnia zu den geplanten Kürzungen, über die am 19. Dezember final entschieden wird, ist bei Jungle World nachzulesen.

25.09.2024

Erstmalige Verleihung des VOICE Albert O. Hirschman Preises

Am 29.9. wird der Albert O. Hirschman Preis VOICE für Einmischung, Widerspruch und Erneuerung demokratischer Kultur zum ersten Mal verliehen! Im Gespräch mit Maike Weißpflug und Patrick Eiden-Offe stellt Alexander Karschnia das Buch „Exit, Voice & Loyalty“ vor, das er neu herausgegeben hat. Für musikalische Untermalung sorgt die jüdische Folk-Band Folkadu. Um 17 Uhr geht’s los im tak Theater Aufbau Kreuzberg. Eintritt frei!

25.09.2024

25 Jahre Postdramatisches Theater: Eine diskursive Geburtstagsfeier am FFT Düsseldorf

Unter dem Titel „I love you, but I’ve chosen Entdramatisierung” (René Pollesch) feiert das FFT Düsseldorf am 28. September 25 Jahre Postdramatisches Theater. Das Jubiläum der bedeutenden Schrift von Hans-Thies Lehmann verspricht eine diskursive Geburtstagsfeier mit vielen prägenden Theatermacher*innen. Nicola Nord ist für andcompany&Co. dabei und spricht mit Anan Fries, Boris Nikitin, Aenne Quiñones u.a. um 11.30 Uhr über die Ästhetik des Widerständigen, auch live zu hören auf nachtkritik.de.

09.08.2024

Stellungnahme zu den geplanten Kürzungen bei den Bundeskulturfonds

Sehr geehrte Frau Staatsministerin,
liebe Claudia Roth,

die Mittel aus den Bundeskulturfonds und die Zusammenarbeit mit dem Bündnis internationaler Produktionshäuser haben uns – und viele andere auch – nicht nur über die Corona-Zeit gerettet, die unsere prekären Strukturen offengelegt hat. Sie sind viel mehr die unverzichtbare Säule einer Förderstruktur, die unsere künstlerische Arbeit verlässlich und planbar macht bzw. überhaupt erst ermöglicht. Die angekündigten Kürzungen bei den Bundeskulturfonds sowie dem Bündnis internationaler Produktionshäuser treffen uns damit unmittelbar finanziell. Und sie treffen uns auch aus persönlicher und professioneller Solidarität zu den Menschen und Projekten, die hinter den Fonds und dem Bündnis stecken, mit denen wir in unterschiedlichen, geschätzten Formaten und Formationen zusammengearbeitet haben. Und sie irritiert uns.

Irritiert sind wir, weil die eingeschlagene Richtung einer Etablierung / Verstetigung von Förderungen der Fonds auch nach Corona widerrufen wird. Nun sind etablierte Programme und Netzwerke, gerade neu entwickelte Instrumente und gerade noch in Entwicklung befindliche Förderprogramme massiv bedroht. Wir setzen darauf, dass das von Ihnen in einer Pressemitteilung Anfang letzten Jahres formulierte Ziel weiterhin ein wichtiges Ziel für Sie und Ihr Haus bleibt: die Fonds, die sich als „echte Innovationstreiber erwiesen haben […] zu erhalten und noch weiter zu festigen.“1

Irritiert sind wir, weil die im Haushaltsentwurf angedachten Kürzungen zu einer Zeit kommen, in der auch die Situation der Landeshaushalte angespannt ist, die für uns wie für alle anderen Akteur:innen der Freien Szene eine zentrale Fördersäule darstellen. Viele Akteur:innen der Freien Szene agieren national wie international. Wir setzen darauf, dass Sie und Ihr Haus sich der damit einhergehenden Verantwortung bewusst sind. Wir setzen auf Ihre Worte: „Wenn die kulturelle Infrastruktur der Freien Szene wegbricht, dann verlieren wir alle“.2

Irritiert sind wir, weil gespart wird an der Freien Szene, einem – so aus Ihrem Grußwort zum Bundesweiten Artist Labs des Fonds Darstellende Künste – „Innovationsmotor von Kunst und Gesellschaft“; an der Freien Szene, die die drängenden Fragen unserer Zeit, „von Nachhaltigkeit über Diversität bis zum Spannungsfeld von Demokratie und Repräsentation“ bearbeitet.3 Eine starke Freie Szene braucht starke und vor allem verlässliche Förderstrukturen. Gerade Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität bedürfen einer Weiterentwicklung und nicht des Rückbaus von Förderstrukturen. Wir bauen darauf, dass Sie und ihr Haus sich auch weiterhin für uns stark machen; und nicht zuletzt auch die Freie Szene so stärken, dass auch sie ihren Beitrag leisten kann zur ökologischen Transformation – für den es nicht nur eine Verringerung des Footprints, sondern auch eine Vergrößerung des Handprints braucht.

Irritiert sind wir, weil die Signale, die von der Kürzung der Mittel bei den Bundeskulturfonds und beim Bündnis internationaler Produktionshäuser ausgehen – bei steigendem Gesamtetat und steigenden Positionen wie z.B. für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz – mehr auf eine „Spaltung in eine prekäre Freie Szene und eine gut abgesicherte etablierte Szene“ weisen als auf deren Überwindung. Wir bauen darauf, dass Sie und Ihr Haus sich auch weiterhin für das Ziel einsetzen, das Sie vor einiger Zeit in einem Interview geäußert haben: diese „drohende Spaltung […] zu verhindern“.4

Wir setzen darauf, dass Sie weiterhin „wie eine Löwin“5 für den Erhalt der Freien Szene kämpfen, für den Erhalt von Freiräumen, für den Erhalt hart erstrittener Strukturen, für die dadurch gegebene Möglichkeit einer Weiterentwicklung. „Kultur ist“, so sagen Sie in eben zitiertem Interview weiter, „kein Luxusgut, sondern Lebenselixier für unsere Demokratie“.6 Das gilt umso mehr in politischen Zeiten, in denen die freie Kultur nicht nur finanziell unter Druck steht. Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Claudia Roth, wir fordern Sie auf, die angekündigten Kürzungen bei den Bundeskulturfonds und dem Bündnis internationaler Produktionshäuser zu überdenken und zurückzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen,

Institutionen ohne Haus – andcompany&Co., Gob Squad, Rimini Protokoll, She She Pop, Solistenensemble Kaleidoskop

 

Berlin, den 7. August 2024

 

Alle Zitate von Claudia Roth; abgerufen am 30.07.
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bund-stockt-foerdermittel-fuer-freie-kuenste-auf- kulturstaatsministerin-roth-guten-uebergang-schaffen–2156962
https://www.derstandard.de/story/2000131813187/deutsche-kulturministerin-staatsziel-verpflichtet-auch- finanziell
https://www.fonds-daku.de/events-und-diskurs/archiv/b-a-l-l/grusswort-der-staatsministerin-claudia-roth- mdb/
https://crescendo.de/claudia-roth/
https://kupobuko.de/blog/kultur-ist-kein-luxusgut/
6 Ebd.

14.06.2024

Veranstaltung: „Die Kunst, viele zu bleiben“ am 29. & 30.6.

In der fabrik Potsdam findet am 29. und 30.6. das Forum für Kunst, Freiheit und Demokratie statt. Das Programm bringt Performances, Tanz, Diskurs und Workshops zusammen, darunter der Workshop zur Kunst, politisch zu Handeln mit Maike Weißpflug und Alexander Karschnia und der Performance-Parcours „T.Regina“ von hansjanna über die Deutungshoheit ostdeutscher Geschichte. Das gesamte Programm gibt es hier.

31.05.2024

Gespräch: „Last Exit Marseille: Die große Flucht aus Europa“

Als 1940 die Nazis die „Auslieferung auf Verlangen“ aller geflüchteten Deutschen von den französischen Alliierten forderten, reiste Varian Fry im Auftrag des Emergency Rescue Committee nach Marseille, um Exilant*innen wie Anna Seghers und Heinrich Mann außer Landes zu bringen. Dabei wurde der berühmte Sozialwissenschaftler Albert O. Hirschman einer seiner engsten Mitarbeiter. Katja Kipping spricht am 2. Juni 2024 um 17 Uhr im TAK Theater Aufbau Kreuzberg mit Uwe Wittstock (Autor von „Marseille 1940“), Anna Winger (Autorin und Produzentin der Netflix-Serie „Transatlantik“) und Corinna Pfitzner (Geschäftsführerin des International Rescue Committee Deutschland) über diese finstere Zeit und befragt auch unsere Gegenwart.

Die Video-Aufzeichnung der Veranstaltung gibt es hier.

Mehr über die von Alexander Karschnia kuratierte Reihe „Denken für die Zukunft: Der Albert O. Hirschman-Effekt“ der Stiftung Kommunikationsaufbau und den VOICE Albert O. Hirschman Preis erfahren Sie hier. Das Buch „Exit, Voice & Loyality. Zwei wiederentdeckte Texte von Albert O. Hirschman“ erscheint in Kürze im Aufbau Verlag.

03.05.2024

Video: „Im Zweifel für den Zweifel: Neu beginnen mit Albert O. Hirschman“

Wer das Gespräch zwischen Jeremy Adelman, Patrick Eiden-Offe und Ulrich Gutmair am 14.04.2024 im Aufbau Haus verpasst hat, kann sich jetzt den Videomitschnitt der Veranstaltung „Im Zweifel für den Zweifel: Neu beginnen mit Albert O. Hirschman“ aus der von Alexander Karschnia kuratierten Reihe „Denken für die Zukunft: Der Albert O. Hirschman-Effekt“ hier ansehen. 

15.12.2023

taz-review: Aus dem Blickwinkel des Kindes

Julia Hubernagel von der taz war im HAU Hebbel am Ufer und hat einen Artikel über LAND ALLER KINDER geschrieben:
„Im Berliner Theater HAU buchstabieren sich Flucht und Vertreibung als Jugendtheater aus.“ Nachzulesen hier!

07.12.2023

Gespräch @HAU Hebbel am Ufer am 9.12.23 (nach Vorstellung von LAND ALLER KINDER)

Am Samstag, den 9.12., einen Tag vor dem 75. Jahrestag der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte durch die Vereinten Nationen, sprechen Berenice Böhlo, Berliner Menschenrechtsanwältin und Mohammed Jouni, der selbst als Jugendlicher nach Deutschland geflüchtet ist und heute den Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leitet, mit der Autorin Luna Ali und der Performerin Nicola Nord im Anschluss an das Stück „Land aller Kinder“ über die Fragen von Flucht und Exil im 21. Jahrhundert.

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