Keine Frage der Haut
Am 7. Januar 2012 hatte „Ich bin nicht Rappaport“, ein Theaterstück des US-amerikanischen Autors Herb Gardner, am Berliner Schlossparktheater Premiere. Das Schlossparktheater wird von Dieter Hallervorden geführt, der auch eine der beiden Hauptrollen spielt – den weißen Amerikaner Nat, ein älterer Mann, der seine Tage mit dem Afroamerikaner Midge (Joachim Bliese) verbringt. Die Problematik dieser Besetzung wurde allerdings schon vor der Premiere deutlich.
Das Plakat zeigte Hallervorden in alberner Pose, der auf einen dümmlich drein schauenden , schwarzgeschminkten Joachim Bliese herabblickt.
Eine Fehlleistung, auf die schon nach kurzer Zeit in Form von Facebook-Kommentaren und Protestbriefen an das Theater reagiert wurde.
Schwarze Menschen von angemalten Weißen spielen zu lassen, steht in der theatralen Konvention des Blackface. Mit der Kritik an der Verwendung dieses rassistisch konnotierten Theatermittels drängte eine längst überfällige Debatte über rassistische Praktiken auf deutschen Bühnen in die breite Öffentlichkeit.
Wie groß unser Rassismusproblem wirklich ist, wurde deutlicher, je länger die Debatte andauerte: Der Diskussionsverlauf gibt Aufschluss über die Rassismus verharmlosende und verleugnende Stimmung, die der Debatte zu Grunde liegt. Eine Stimmung, die nicht theaterspezifisch ist, sondern sich auch in anderen Bereichen zeigt. Der Theaterbetrieb ist also kein rassistischer Extremfall, aber eben entgegen der landläufigen Meinung auch keine diskriminierungsfreie Insel. Dies zeigt sich zu aller erst darin, dass die Thematisierung von Rassismus offensichtlich als störend empfunden wird und eine Diskussion über dieses Thema möglichst vermieden werden soll. So kommt das Gespräch sehr schnell auf die Frage der Haut.
Den Menschen, die eine Auseinandersetzung mit einem rassistischen Vorfall einfordern, wird entgegnet, dass sie sich eine dickere zulegen sollten. Ich persönlich beispielsweise bin mit meiner Haut jedoch sehr zufrieden: Sie ist dick genug, dass mir nicht sofort alles darunter geht und dünn genug, dass ich noch gelegentlich aus ihr herausfahren kann. Und eben Schwarz. Was wohl der Grund dafür ist, dass sie zum Thema wird. Ich meine ihre Dicke.
Wenn die Dünnhäutigkeit der Rassismus benennenden Person nicht eindeutig festgestellt werden kann, wird als nächstes gern ihre Qualifikation in Frage gestellt.
Als sich in Reaktion auf die Nutzung von Blackface am Schlossparktheater die Initiative Bühnenwatch gründete und öffentlich damit begann, über die rassistische Dimension dieses Mittels aufzuklären, hörte man nicht von allen, aber eindeutig zu vielen Seiten, dass es sich wohl um „erfolglose“ oder gar „minder begabte“ Schwarze Schauspieler_innen handeln müsse, die versuchen, sich über die „Rassismuskeule“ (ein Begriff, über dessen Absurdität es sich nicht auszulassen lohnt) einen Vorteil auf dem engen Arbeitsmarkt zu verschaffen.
Das Risiko, dem sich Schwarze Schauspieler_innen und Schauspieler_innen of Color aussetzen, wenn sie Rassistisches als rassistisch benennen, lässt sich mit folgenden Beispiel verdeutlichen.
Die Fernsehmoderatorin und Autorin Sarah Kuttner liest aus ihrem Roman „Wachstumsschmerz“. Im Text benutzt sie rassistisches Vokabular und wird von einem Zuschauer angezeigt. Der TV-Moderator und Schauspieler Mola Adebisi nimmt dazu öffentlich Stellung und erklärt, dass Kuttner bereits während der gemeinsamen Zeit bei Viva rassistische Witze gemacht hätte. Außerdem beschwert er sich über Rassismus im deutschen Fernsehen. Die mediale Reaktion darauf ist zum einen, dass Adebisi von Presse- und Leserkommentaren als „schlechter“ Moderator diskreditiert wird – also die gleiche Infragestellung seiner Qualifikation wie die Kollegen vom Theater erfährt – und versuche, für das „Scheitern“ seiner Karriere nicht sein eigenes Unvermögen, sondern Diskriminierung verantwortlich zu machen. Zum Anderen wird behauptet Kuttner wäre einem „Shitstorm“ ausgesetzt .
Wer Rassismus thematisiert, läuft Gefahr, als unvermögend gebrandmarkt zu werden und wird in die Schublade derer gesteckt, die es nötig haben, mit Hilfe der „Rassismuskeule“ die „Diskriminierungskarte“ auszuspielen, und muss zudem mitansehen, wie die Aggressorin zum Opfer eines „Vorwurfs“ stilisiert wird, der angeblich unangemessene Empörung mit sich bringt.
Über Rassismus wird im Allgemeinen nicht gerne gesprochen. Das Aufbringen des Themas, beispielsweise in Publikumsgesprächen, zieht viele genervte Reaktionen nach sich. Oft ist unruhiges Gemurmel zu vernehmen, die Unlust und Nervosität der Anwesenden wird spürbar. Die Aussage, etwas sei rassistisch, scheint den allgemeinen Frieden zu stören. Der „Rassismusvorwurf“ bringt ein unangenehmes Thema auf die Tagesordnung. Überschriften wie „Theatralischer Rassismusvorwurf: Angeschwärzt“ , „Theater-Fans werfen Dieter Hallervorden Rassismus vor“ oder „Rassismusvorwurf an Berliner Theater – Schwarze Schminke“ zeigen: nicht der rassistische Akt ist die Meldung wert, sondern der „Vorwurf“.
Dabei wird der Vorwurf, der lediglich die Reaktion auf eine Handlung ist, zum eigentlichen aggressiven Akt gemacht: Der Rassismusvorwerfer, nicht der Rassist zwingt uns dazu die Debatte erneut führen zu müssen. Die erste Reaktion auf diese Meldungen ist deshalb nicht „Oh nein! Schon wieder ein rassistischer Vorfall!“ sondern, „Mhm. Schon wieder so ein Rassismusvorwurf“ Fakt ist aber: Rassismus hätte nicht zum Gesprächsthema werden müssen, hätte es den rassistischen Aspekt in der Inszenierung nicht gegeben.
So wie die meisten Diskussionen um Rassismus aus der Mitte verlaufen, scheint es, als wäre nicht etwa die rassistische Herabwürdigung, sondern der Rassismusvorwurf die schwerstwiegende Beleidigung, die man machen kann.
Das hat damit zu tun, dass wir glauben, dass es Rassismus in der politischen Mitte oder gar links davon nicht geben kann. Erst recht nicht unter Intellektuellen und Künstlern. Rassismus und Antisemitismus werden rechts außen verortet. Damit wird ein gesamtgesellschaftliches Problem als Randerscheinung verharmlost, das nur in den Köpfen prügelnder Neonazis existieren könne. Diese Haltung hat zur Konsequenz, dass rassistische Praktiken von den eigentlichen Urheber_innen abgelenkt und zum Problem von People of Color konstruiert werden .
So lässt sich auch die hartnäckige Wiederholung der zweiten Frage erklären, mit der diejenigen, die auf rassistische Praktiken am und auf dem Theater aufmerksam machen, konfrontiert werden:
„Habt ihr denn keine wichtigeren Probleme? Wo doch „Ausländer“ auf der Straße angegriffen werden! Und schließlich leben wir in Zeiten rechten Terrors …“
Ein wichtiger Punkt. Es gilt, sich sämtlichen Ausprägungen von Rassismus, bei denen es um Leben und Tod geht, mit aller Kraft entgegen zu stellen. Mit allen erforderlichen Mitteln. Und eines davon ist, das Erhalten und Neuerschaffen von rassistischen Zuschreibungen und Stereotypisierungen zu thematisieren und das Markieren Schwarzer Menschen und People of Color als „fremd“ und „anders“ nicht länger zu dulden. Als Theaterschaffende_r ist es naheliegend, diese Auseinandersetzung auch am Theater zu führen.
Wenn also Regisseur X Theater mit rassistischen Mitteln macht, Autorin X in ihrem Stück rassistische Sprache benutzt oder ein Haus eine rassistische Besetzungspolitik fährt, dann sollte dies auch so benannt werden: Rassistisch. Fortschritte sind schwer zu erzielen durch Schönrederei. Doch diese Fortschritte im Kampf gegen Rassismus scheinen durchaus gewollt zu sein, denn es stehen immer wieder antirassistische Stücke oder Inszenierungen auf den Spielplänen. Aber gerade in diesen Arbeiten werden häufig rassistische Stereotype reproduziert, sei es, um Rassismus auszustellen, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten oder das Leid von Rassismus-Opfern darzustellen. In solchen Fällen wird häufig damit argumentiert, dass der Einsatz dieser Mittel der antirassistischen Intention des Abends dient und dadurch von Kritik ausgenommen sei. Der Zweck soll nach dieser Theorie die Theatermittel reinigen.
Doch wie kann etwas antirassistisch sein, das rassistische Praktiken reproduziert? Ich selbst bin nach zwei Stunden blackgefacter n-wort-schreiender Performance nicht mehr besonders aufnahmefähig für irgendeine gut gemeinte Botschaft. Auch hier findet Ausschluss statt. Schwarze im Publikum werden nicht mitgedacht und bekommen die Verletzungen aus dem Alltag noch einmal von der Bühne herab serviert. Tatsächlich ist das eine Provokation. Leider keine besonders mutige, denn provoziert werden diejenigen, deren Perspektive ohnehin unterrepräsentiert ist.
Im Verlauf der Auseinandersetzung wurde deutlich, wenn weiße Theatermacher_innen über Theater reden, gehen fast alle von Ihnen von einem weißen Publikum aus. Gleichzeitig wurde an vielen Häusern das Ausbleiben von migrantischen und postmigrantischen Zuschauern bedauert und Bemühungen unternommen, um auch die mit „Hintergrund“ in die Theater zu locken. Dabei könnte es einen Zusammenhang zwischen dem Ignorieren der Existenz einer postmigrantischen Zuschauerschaft und dem Desinteresse der Ignorierten am Theater geben.
Das Einheitsweiß auf deutschen Bühnen behauptet eine Homogenität, die es in unserer Gesellschaft nicht gibt. Zudem findet Diversität auf dem Theater nicht als Selbstverständlichkeit statt, sondern festigt durch Reproduktion konstruierte Unterschiede.
Das bedeutet, Schauspieler_innen of Color sind kaum präsent und wenn, dann in Inszenierungen, die kulturelle Unterschiede thematisieren. Inszenierungen also, die stark dazu anregen, nach dem Notausgang zu suchen.
Rezipient_innen von Theater, Film und Fernsehen müssen zu viele der entgegen anderer Behauptungen durchaus existenten Schwarzen deutschen Schauspieler_innen, die sich auf der Schauspielschule mühsam ihr Schwäbisch, Bayerisch oder Sächsisch abtrainiert haben, um reines Bühnendeutsch zu sprechen, gebrochenes Deutsch reden hören. Und geben wir den Kolleginnen of Color daran nicht die Schuld, denn immer mehr thematisieren die Problematik oder/und lehnen derartige Rollen mit entsprechendem Kommentar ab. Daraufhin haben sie allerdings die von mir bereits beschriebenen Konsequenzen zu tragen (Vorwurf der Dünnhäutigkeit, Infragestellung ihrer schauspielerischen Fähigkeiten). Außerdem ist es der Beruf der Schauspielerin oder des Schauspielers, zu spielen und manche versuchen ihren Lebensunterhalt in dem Bereich zu verdienen, in dem sie ausgebildet sind. Die Möglichkeit bietet sich in der Darstellung von Opfern und Exoten. Den Fremden und Anderen. eindimensionale Abziehbilder rassistischer Klischees. Zuschreibungen, die mich als Schwarze Zuschauerin je nach Fall langweilen bis beleidigen. Schwarze Rollen.
Die Sache mit den Schwarzen Rollen ist nicht von mir, sondern als Rechtfertigung für die Nutzung von Blackface herangezogen worden: Es gäbe so wenige Schwarze Rollen am Theater, weshalb es sich nicht lohne Schwarze Schauspieler_innen fest im Ensemble zu engagieren. Deswegen müssten, wenn mal ein Stück mit einer Schwarzen Figur auf dem Spielplan steht, weiße Schauspieler schwarz angemalt werden.
Die Theaterverabredung reicht so weit, dass wir in der Lage sind, aus einem Kassettenrecorder ein Auto zu machen oder aus einer Reihe Vorhänge einen verwunschenen Wald, wir glauben einem Darsteller der in den zweiten Rang schaut, dass da wohl gleich der Bote kommt, aber einen Schwarzen Schauspieler, den finden wir unglaubwürdig als dänischen Prinzen, als Räuberhauptmann oder dessen verkorksten Bruder. Das sind angeblich weiße Rollen, und Schwarze spielen eben die „Anderen“, die in die bereits erwähnten Kategorien passen. Asylbewerberinnen, rechtlose Prostituierte und natürlich Othello. Es gibt auch andere, vielschichtige Figuren, meist in zeitgenössischen Dramen aus dem angelsächsischen Sprachraum, die als Schwarze Charaktere geschrieben sind. Aber auch diese Rollen werden aus zuvor genannter Begründung häufig von weißen dargestellt.
Die Schauspielerin und künstlerische Leiterin des afrodeutschen Ensembles „Label Noir“, Lara-Sophie Milagro, kommt nach einer ausführlichen Auflistung der Besetzungslogik an deutschen Theatern zu folgendem Ergebnis: „Weiße können alles spielen, Schwarze nicht mal "sich selbst".“ Interessanterweise wurde die Forderung, Schwarze Figuren auch von Schwarzen Schauspielerinnen verkörpern zu lassen, vielfach als unangebrachter Ruf nach mehr Authentizität abgetan.
Mit Aussagen, wie: „Ja, dürfen dann auch nur noch Dänen den Hamlet spielen und nur noch Italiener den Romeo?!“ driftete die Diskussion ins Absurde.
Das Deutsche Theater betitelte dann auch gleich ihr im Sommer 2012 ausgerichtetes Symposium mit „Authentizitätsterror“ . Damit machten die (Rassismus-)Keulenschwinger in kurzer Zeit Karriere zu (Authentizitäts-)Terroristen.
Tatsächlich rief niemand, der sich gegen Blackface und für Diversität in Ensembles aussprach, nach mehr Authentizität. Es geht darum, Schwarze Julias, Gretchens und Hamlets auf der Bühne sehen, ohne dass deren Hautfarbe thematisiert wird, und zwar weder in der Inszenierung noch in deren Besprechungen. Solange das nicht der Fall ist, sind wir nicht in der Situation, colorblind besetzen zu können. Nicht, wenn colorblind bedeutet, dass alle von Weißen gespielt werden. Schwarz sein ist keine Kunst und schon gar kein Rollenfach, genauso wenig wie weiß sein. Hautfarbe bleibt eine Kunstruktion und kein Theaterzeichen.
Wenn wir an diesem Punkt der Diskussion angelangt sind, dass Ansprechen von Rassismus also als Ursache des Problems identifiziert wurde, die Sache mit der Dünnhäutigkeit zur Sprache kam und der „Rassismuskeulen“ schwingenden Person die Qualifikation abgesprochen wurde, haben wir uns im Grunde immer noch nicht richtig mit dem Kernthema befasst: Woher kommt er, der Rassismus an deutschen Bühnen, was hat er dort aktuell zu suchen und wie werden wir ihn so schnell wie möglich wieder los, um People of Color nicht weiter vom Theater auszuschließen?
Stattdessen sieht man die Kunstfreiheit in Gefahr: Wenn nichts mehr hilft, wird der Rassismusvorwurf mit einem Zensurvorwurf gekontert . An keiner Stelle der Debatte wurde staatliche Kontrolle von Theatern eingefordert. Es ist unverständlich, wie Begriffe wie Verbot, Zensur und Einschränkung der Kunstfreiheit überhaupt Einzug in diese Diskussion halten konnten. Sie dienen nur denjenigen, die Angst haben, ihr Privileg, sich nicht mit Rassismus auseinandersetzen zu müssen, zu verlieren.
Auf einmal wird den Kritiker_innen, den Erfolg- und Talentlosen, den Überempfindlichen eine ungeheure Macht zugesprochen, vor der es die Kunst zu schützen gilt. Dabei sind diese weder in der Position, noch ist es ihr Anliegen irgendetwas zu verbieten, nur schweigen wollen und können sie dazu nicht mehr.
Denn sicher ist, dass das Ignorieren dieses Themas mehr Schaden anrichtet, als ein nur scheinbar harmonischer Theaterabend Wert ist. Wenn People of Color strukturell vom Theater ausgeschlossen werden und auf der Bühne rassistische Worte und Mittel benutzt werden, wissend oder unbewusst, ist es absolut notwendig, dies auch als das zu bezeichnen was es ist: Rassismus. Egal, ob es „rassistisch gemeint“ ist oder nicht und unabhängig davon, was die entsprechende Person im Sommer 68 getan hat. Dass sich niemand den Schuh anziehen will, rassistisch gehandelt oder gesprochen zu haben, spricht jedoch nicht nur für Ignoranz. Ein bisschen ist es auch ein gutes Zeichen, nämlich dafür, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Rassismus grundsätzlich als etwas Schlechtes, nicht zu Befürwortendes angesehen wird. Auch wenn es beispielsweise Besorgnis erregend ist, dass das N-Wort nicht generell als beleidigend gilt, wäre es noch mehr Besorgnis erregend, in einem Land zu leben, in dem „Rassist“, ein Kompliment ist. Tatsächlich trifft der „Rassismusvorwurf“ einen wunden Punkt. Und wenn man den Finger auf eine Wunde legt, sollte man nicht damit rechnen, darum gebeten zu werden, ihn weiter hinein zu bohren.
Es wäre generell falsch zu behaupten, dass sich gar nichts tut. Denn eine Sensibilisierung findet statt. Das Deutsche Theater stand ebenfalls wegen dem Einsatz von Blackface stark in der Kritik. Es ging um Michael Thalheimers Inszenierung von Dea Lohers „Unschuld“. Dort spielen zwei weiße Schauspieler die Schwarzen illegalisierten Migranten Fadoul (Peter Moltzen) und Elisio (Andreas Döhler). Sie betraten die Bühne mit einer dicken Schicht schwarzer Farbe und knallrot geschminkten Lippen. Nach einer von Bühnenwatch organisierten Störaktion, bei der mehr als 40 Zuschauer_innen beim Erscheinen der geblackfaceten Männer den Theatersaal verließen, und mehreren Gesprächen mit Bühnenwatch-Aktivist_innen entscheidet sich das DT auf Blackfacing zu verzichten und die Schauspieler stattdessen weiß zu schminken. Leider bekommt es dafür nicht das kleine Lob, das es verdient hätte sondern wird des Nachgebens und Einknickens bezichtigt .
Seitdem das Thema öffentlich diskutiert wird finden sich häufiger Interviews und Textbeiträge von TheaterwissenschaftlerInnen und Künstlerinnen und Künstlern of Color. Ein Zeichen dafür, dass die Perspektive Schwarzer Theaterschaffender an Relevanz gewinnt. Außerdem bekomme ich in meiner täglichen Arbeit mit, dass immer mehr, besonders jüngere weiße Kolleginnen die eigenen Privilegien und die damit verbundene Perspektive hinterfragen. Dadurch wurde ich in letzter Zeit häufiger in bereichernde und inspirierende Gespräche verwickelt.
Doch leider verlaufen die meisten Foyer-Gespräche zum Thema noch anders. Wenn ich um meine Expertise gebeten werde, dann meist mit Fragen, wie: „Wenn wir in dem Zusammenhang das N-Wort benutzen, dann ist das doch okay ?“ Oder: „Wenn wir hier mit Blackface arbeiten, dann ist das doch was ganz anderes, nicht wahr?“ Die Kolleg_innen sind mehr darum besorgt, selbst nicht mit der „Rassismuskeule“ in die „Rassistenecke“ gedrängt zu werden, als dass sich durch die Debatte ein Gespür für Verletzungen entwickelt hätte, die das unreflektierte Beharren auf rassistischen Konventionen anderen zufügt.
Denn in diesen Fällen geht es nur darum, eine Schwarze Person zu finden, die das weiße Vorhaben absegnet. Diese kann dann als Referenzperson angeführt werden, sollte es doch zu einem „Rassismusvorwurf“ kommen. Die Logik dahinter: Wenn nur eine Schwarze Person sich nicht verletzt fühlt, ist kein weiteres Hinterfragen von Nöten. Kritiker_innen können dann als dünnhäutig abgetan werden. Doch rassistischen Praktiken die Zustimmung zu versagen, ist mit Sicherheit keine Frage der Haut.